Eindrücke vom Fachtag in Essen

Spiritual Care – heute

Der Schwerpunkt des zweiten Fachtages am 15.September 2023 in Essen lag auf der Relevanz von Spiritual Care und dessen Integration in das deutsche Gesundheitswesen. Durch die Moderatorin Verena Tröster, die als Hörfunkjournalistin für den WDR und Deutschlandfunk tätig ist, wurden die rund 140 Teilnehmenden im Auditorium des Erich Brost-Pavillons und die über den Tag zugeschalteten 300 Personen an ihren Bildschirmen durch das Programm des Fachtages geführt.

Nach der herzlichen Begrüßung durch Hans-Dieter Weigardt, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, Marco Schmitz, Mitglied des Landtages und Vorsitzender des Stiftungsrates der Wohlfahrtspflege in NRW und Pfarrer Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, bedankte sich RA Prof. Dr. jur. Herta Däubler-Gmelin in ihrem Grußwort als Schirmherrin für die Ausrichtung des Fachtages zu diesem unverzichtbaren Thema.

Im sich anschließenden Vortrag von Dr. Astrid Giebel, Leitung der Steuerungsgruppe des Projektes, wurde der Weg des Projektes SpECi – von den ersten Vorgesprächen 2016 mit der DGP, der Aufnahme der Arbeit am Curriculum SpECi mit der DGP und Diakonie, dem DHPV und der Caritas 2017 und der Suche nach Fördermitteln sowie über die Umsetzung des Projektes 2020 bis 2024 – nachgezeichnet. Durch das im Projekt weiterentwickelte und durch Fokussierung auf 40 Stunden inhaltlich konzentrierte Curriculum soll für die Spiritualität als vierte Dimension der Gesundheit in den unterschiedlichen Berufsgruppen des Gesundheitswesens sensibilisiert und somit fest in der Begleitung von älteren und schwerstkranken Menschen verankert werden.

In seinem Vortrag wandte sich Univ.-Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn, Spiritual Care als Schlüsselkompetenz in der Palliativversorgung zu. Die in diesem Bereich Tätigen brauchen viel Wissen, aber auch die Fähigkeit Innezuhalten und des Wahrnehmens des Gegenübers – des schwerstkranken Menschen und seiner Nahestehenden – als ganzheitlichen Menschen. In diesen Versorgungsbereich geht es um Beileid, das heißt „Beisein beim Leiden“. Er hob die enorme Bedeutung von Spiritual Care auch für die Resilienz der in diesem Bereich tätigen Berufsgruppen hervor. Spiritual Care hat einen entscheidenden Einfluss auf die Ressourcen der Betroffenen selbst und die ihnen Nahestehenden, aber auch auf die sie Pflegenden und Behandelnden und ist unverzichtbarer Teil eines ganzheitlichen Konzepts der Palliativversorgung.

Im letzten Vortrag vor der Mittagspause beleuchtete Univ.-Prof. Dr. Hermann Brandenburg, Prodekan der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Vinzenz Pallotti University Vallendar und Leiter des Masterstudienganges Pflegewissenschaft am Lehrstuhl für Gerontologische Pflege, die besonderen Bedingungen von Spiritual Care in der Betreuung von hochbetagten Menschen. Die Sensibilisierung für die individuellen spirituellen Bedürfnisse der zu betreuenden und pflegenden Menschen müsste schon in der Pflegeausbildung beginnen. Für die Mitarbeitenden und Bewohner*innen ist, dort wo der Rahmen für Spiritual Care gegebenen ist, der Benefit erkennbar. Entscheidend für die Implementierung sind u.a. die Offenheit des Trägers und der Umgang der Leitung der Einrichtungen mit diesem Thema sowie der Grad der Partizipation und Mitwirkung der Mitarbeitenden. Und vor allem bedarf es einer Haltung in den Pflegeeinrichtungen, die nicht zuerst die Defizite der zu Versorgenden, sondern die vorhandenen Ressourcen im Blick hat.

Der zweite Teil des Fachtages wurde durch einen Kurzfilm eingeleitet: Bruno Schrage, Referent für Caritaspastoral im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. führt ein Gespräch mit einer Mitarbeitenden, die am Curriculum SpECi im Rahmen des Projektes teilgenommen hat.

Johannes Albrecht, Seelsorger am Evangelischen Zentrum für Altersmedizin Potsdam, stellt den Teilnehmenden ausführlich das Curriculum vor. Die Palliativmedizin kann als eine Reaktion auf eine hochspezialisierte Medizin gesehen werden, die den Menschen als ganzheitliches Wesen aus dem Blick verliert. Um möglichst allen Bedürfnissen der schwerstkranken und sterbenden Menschen gerecht werden zu können, bedarf es der interprofessionellen Teamarbeit und des sektorenübergreifenden Arbeitens in der stationären palliativen Versorgung sowie in der allgemeinen und spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Hier setzt das Curriculum SpECi an, welches Spiritual Care als Querschnittsaufgabe aller an der Betreuung und Versorgung beteiligten Berufsgruppen versteht und interprofessionell angelegt ist. Martina Kern, Leiterin von ALPHA Rheinland und Vorsitzende der Zertifizierungskommission Bildung in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) zeigt auf, wo das Curriculum SpECi im palliativen Bildungsweg der DGP, und der European Association for Palliative Care (EAPC), dem Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR des BMBF und der Kultusministerkonferenz) und sonstigen gesetzlichen Vorgaben an die allgemeine und spezialisierte Hospiz- und Palliativversorgung anknüpft bzw. verortet werden kann.

Vor der geplanten Podiumsdiskussion stellt Univ.-Professor Dr. med. Arndt Büssing die wichtigsten Befunde aus der wissenschaftlichen Begleitstudie vor. Im Ergebnis lässt sich allgemein sagen, dass die Spiritual Care Kompetenzen, wie: Dokumentation, Selbsterfahrung und Empowerment weiterentwickelt werden konnten. Die Teilnehmer*innen sind gestärkt aus dem Kurs hervorgegangen und fühlten sich sicherer im Umgang mit den spirituellen Bedürfnissen der von ihnen Betreuten. Patient*innen/Bewohner*innen gaben vordergründig Bedürfnisse nach innerem Frieden, Generativität und familiärer Unterstützung an und die Zufriedenheit mit der Unterstützung durch das belastete Betreuungs- und Versorgungsteam (unter COVID 19-Bedingungen) in ihren spirituellen Bedürfnissen war insgesamt mit 87% hoch. Dies gaben auch die An- und Zugehörigen an. Ein Drittel der Befragten fühlten sich nicht mit ihren spirituellen Bedürfnissen gesehen und wahrgenommen. Die Wahrnehmung der spirituellen Bedürfnisse ist integraler Bestandteil einer ganzheitlichen und würdevollen Begleitung am Lebensende. Diese nicht zu berücksichtigen, bedeutet die Würde der Begleitenden zu verletzen.

Fotos: Christof Köpsel / FUNKE Foto Services

Zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion zur „Zukunft von Spiritualität und Spiritual Care“ wurden die Schirmherrin der Veranstaltung RA Prof. Dr. jur. Herta Däubler-Gmelin, der Staatssekretär des Landes NRW im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Matthias Heidmeier, Pfarrer Christian Heine-Göttelmann in seiner Funktion als Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V., der Diözesan-Caritasdirektor Dr. med. Frank Johannes-Hensel, Josef Neumann als Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen und der Münsteraner Theologieprofessor Prof. Dr. Traugott Roser als einer der Erfinder von Spiritual Care und Mitglied im Bayerischen Ethikrat geladen. In einem waren sich alle einig: Wir brauchen ein starkes und nachhaltiges Bündnis von Gesellschaft und Politik, um uns den Themen Pflege, Alter und Sterben zu stellen und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können. Spiritual Care ist kein Add-on, sondern sollte in seiner die Mitarbeitenden stärkenden und ressourcenfördernden Kraft erkannt werden und ist uns Verpflichtung, denn: „Jeder Mensch hat das Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt.“ Darauf haben sich alle am Charta-Prozess beteiligten Bundesorganisationen und Institutionen im zweiten Leitsatz der Charta verständigt.

Den Fachtag abschließend hat Dr. Marianne Kloke die Nachhaltigkeit des Projektes in den Blick genommen. Nun folgt die gezielte Öffentlichkeitsarbeit zu den Projektergebnissen und in einem nächsten Schritt sollten konkrete und konsentierte Empfehlungen zur Implementierung von Spiritual Care erarbeitet werden. Zur Mitarbeit sind alle in der Betreuung von alten und schwerstkranken Menschen beteiligten Berufsgruppen, Träger von Einrichtungen der medizinisch-pflegerischen Versorgung, politisch Verantwortliche und Kostenträger im Gesundheitswesen, Fachgesellschaften, Aus-, Fort- und Weiterbildungsträger, Vertreter der religions- und Glaubensgemeinschaften und Akteure der Hospizarbeit herzlich eingeladen!

Text von: Anne-Susanna Dreßke der Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland

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Die Veranstaltung kann weiterhin über den YouTube-Kanal der Diakonie Deutschland angesehen werden.

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